In der Radiosendung „Lösch-Taste für den Geist: Was Multimedia mit Kinderhirnen macht“ auf Bayern2 am 8. Januar 2010 war der Ulmer Professor Dr. Manfred Spitzer als Experte zu Gast. Im Rahmen der Sendung, in der Anrufer um Rat zu dem jeweiligen Thema fragen können, äußerte sich der Hirnforscher nach der Frage zu Medienkompetenzprojekten: „Ich habe ein gespaltenes Verhältnis zu Medienkompetenz. Natürlich ist es wichtig, das wir damit umgehen lernen, aber es ist falsch, damit zu früh anzufangen. Wenn sie also im Kindergarten Medienkompetenz trainieren, ist das so was wie anfixen. Das darf man auf keinen Fall tun. Wenn die Kinder dann 10, 12, 14 sind, muss man auch eher zurückhaltend sein“ (siehe: Podcast 00:41:00 bis 00:41:22). Mit dieser Aussage, die leider auch innerhalb der Sendung nicht kritisiert wurde, spricht er medienpädagogischen Projekten mit Kinder in der frühen bis späten Kindheit in einer drastischen Härte ihre Existenzberechtigung ab. Nun ist diese Aussage für alle die Dr. Manfred Spitzer und seine Veröffentlichungen kennen nicht verwunderlich. Dennoch ist sie erschreckend pauschalierend und bildet nicht die tatsächliche Mediennutzung von Kindern ab. Vielen Kindern wird durch Medienkompetenzprojekte nicht der Zugang zu den Medien ermöglicht – diesen haben und nutzen die meisten bereits – , sondern sie bieten, wie beispielsweise Internetkurse, die Möglichkeit, Kindern ein richtiges Verhalten im Web (Datensicherheit, Persönlichkeitsrechte, Chat-Verhaltensregeln etc.) zu vermitteln. Zum anderen werden durch solche Aussagen Medien wie Fotografie, Audio- und Videoaufnahmen nicht als aktuelle Kultur- und Kunstform wahrgenommen, mit denen ebenso wie mit Papier, Stiften oder Instrumenten kreativ gearbeitet werden kann – und dies u.a. auch sehr erfolgreich bereits mit 4-jährigen Kindern!
Die kurz darauf folgende Aussage von Dr. Spitzer: „(…) Es gibt da mittlerweile ein Institut, wo die Eltern Ballerspiele spielen können und zwar überwacht, von sogar bestimmten Professoren, weil die Denke dahinter ist, die müssen auch lernen, was es da alles gibt, und für mich ist es eine Horrorvision (…)“ (siehe: Podcast 00:42:16 bis 00:42:30) gibt auch eine falsche Sichtweise auf diese Art von medienpädagogischer Arbeit wieder. Bei Projekten bzw. Angeboten, bei denen Eltern selber Computerspiele ausprobieren können, ist die Zielsetzung nicht, diese für die Spiele zu begeistern. Das Ziel ist es, die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen wieder näher an die Eltern zu bringen, da sich durch die schnelle Entwicklung der Medien(nutzung) eine Verständnislücke aufgetan hat. Verständnislosigkeit führt zur Abnahme der Kommunikation und eine mangelnde Kommunikation ist ein Grundstein für familiäre Probleme. Durch das Vorführen der virtuellen Spielwelt erfahren Eltern die Faszination und Besonderheiten von Computerspielen und erhalten so wieder einen Zugang zu ihren Kindern bzw. stärken diesen. Ziel ist also nicht das gemeinsame „Zocken“, sondern ein Zusammenführen der Generationen. Daraus können sich dann wieder andere, nicht virtuelle Gemeinsamkeiten, Aktivitäten oder Ähnliches entwickeln.
Das ärgerliche an Dr. Manfred Spitzers Aussagen ist, das er damit der Medienpädagogik ihre Professionalität und Vielschichtigkeit abspricht. In der Medienpädagogik geht es nicht nur um die Vermittlung von Technikkompetenz, sondern die Medien als komplex in ihrer Art und in ihren Möglichkeiten wahrzunehmen und pädagogisch (reflektiert, bewusst, kreativ und konstruktiv) damit zu arbeiten – und sie ist nicht selten auch eine sozialpädagogische Arbeit.